Nachdem im Teil 1 die Beobachtung der Entwicklung der Sonnenflecken und ihrer magnetischen Konfiguration beschrieben wurde, folgt hier nun die Beschreibung von Flares als Ursache für coronale Massenauswürfe.
Wie erkennt man also Flares, und was kann man aus den Satellitendaten und Bildern zu einem Flare erkennen ?
Ein Flare wird immer durch das Kollabieren einer oder mehrerer magnetischen Strukturen innerhalb einer Fleckengruppe eingeleitet. Hierbei treten sehr komplexe magnetodynamische Prozesse auf, die ich aber mangels differenziertem Wissen hier auch nicht näher beschreibe, Es würde auch den Rahmen des Themas sprengen.
In erster Linie interessieren ja hier die Folgen dieser gigantischen Vorgänge. Sie äußern sich als primärer Vorgang durch einen sprunghaften Anstieg der Röntgen-Strahlung im Sonnenspektrum, und als Weislichtflare, wenn man die Sonne mit geeigneten optischen Instrumenten beobachtet. Diese Vorgänge kennzeichnen den eigentlichen "Flare". Klassifizieren kann man diese durch Messungen mit Instrumenten auf verschiedenen Satelliten.
Als Folge dieses Flare-Vorgangs KANN ein CME auftreten, muss aber nicht. Ein Flare wird wohl immer auch einen gewissen Teil Materie hervorschleudern. Ein deutlich differenzierter CME wird sich aber nur bei entsprechender Flarestruktur- und Stärke bilden.
Als Referenz zur Messung der Strahlung von Flares gelten derzeit die Messungen der GOES-Satelliten, für die Klassifizierung speziell nur GOES 12.
Diese werden vom Space Environment Center (SEC) der US-Behörde NOAA betrieben.
Eine schöne Übersicht der Daten ist hier zu finden:
Current Solar Data (from NOAA)
Von diesen 6 Grafiken interessiert zu diesem Zeitpunkt erst ein mal der linke obere "X-Ray-Flux" (Fluss der Röntgen-Strahlung)
Eine weitere Quelle für diese X-Ray Grafik mit Echtzeit-Nachführung ist die SEC Daten Seite:
Space Weather Data and Products (SEC)
Der Link zum X-Ray-Plot ist in der Liste weiter unten zu finden unter "Instrument measurements":
X-Ray Flux in near realtime oder als 5-minüten Plot über 3 Tage: X-Ray Flux
Bei diesen Grafiken wird der gemessene Wert in "Watt / m²" der jeweiligen Wellenlängen von 0,5-4,0 Å bzw. 1,0-8,0 Å [1Å (Ängström) = 0.1 nm] angegeben. Die Röntgen-Emissionen eines Flares sind über einen größeren Wellenlängenbereich verteilt. Um hier zu vergleichbaren Werten zu kommen integriert man daher alle Emissionen des jeweiligen definierten Bereiches.
Auf der rechten Seite des Plots findet man eine Skalierung aufsteigend von A, B, C, M, X entnehmen. In diesen Stufen werden die Flares offiziell klassifiziert. A, B, und C kann man als einfach aufsteigende Reihe betrachten, M steht in etwa für "Medium oder Major" und X in etwa für "Extra", oder "Extrem". Offiziell bezeichnet man aber erst Flares ab M5 als "Major-Flare".
Die Skalen sind logarithmisch und von Klasse zu Klasse entspricht die Steigerung der abstrahlten Energie dem Zehnfachen. Ein X1-Flare ist also 10 mal so energiereich, wie ein M1-Flare, und 100 mal gegenüber einem C1. Der normale Strahlungshintergrund der Sonne liegt in der Regel im A- und B- Bereich, je nach Stand des solaren Zyklusses und Anzahl aktiver Regionen auf der sichtbaren Sonnenscheibe. Zu Zeiten des solaren Maximums gibt es oft Phasen, wo dieser Hintergrund gar nicht unter das C-Niveau sinkt. Vom normalen Hintergrund im A-Bereich aus gesehen, wird allein bei einer X1 Eruption schon das 10.000-fache an Energie abgestrahlt. Wohlgemerkt, es geht hier nur den reinen Röntgen-Bereich.
Als grober Erfahrungswert sind relevante Massenauswürfe erst ab der M-Klasse zu erwarten, seltener auch mal bei höheren C-Flares. Ein weiteres sehr wichtiges Kriterium ist die Dauer eines Flares. Es gibt zwar durchaus X-Flares die einen sehr kurzen Peak verursachen, aber vielleicht nur weniger als 1h im X- und M-Bereich bleiben. Diese bringen nicht unbedingt einen CME hervor, oder wenn dann eher nicht so wirkungsvolle.
Bei entsprechend langen Ereignissen, spricht man daher von "long duration events" (LDE, langanhaltendes Ereignis). Flares die für entsprechend starke Massenauswürfe sorgen, sind daher in der Regel über mehrere Stunden im M-Bereich. Analog dazu kann z.B. ein M3-Flare, der aber für 2-3h nicht unter ~C7 absinkt, auch einen kräftigen CME hervorbringen. Die Variationen sind da (leider) reichlich. Letztendlich sind dafür auch die besonderen Strukturen am Herd eines Flares innerhalb der Fleckengruppe verantwortlich, wie stark und massereich so ein Auswurf wird. Die Werte des Röntgen-Flusses kann man hier nicht als alleiniges Kriterium herannnehmen. Sie bieten aber sehr wohl schon mal eine grobe Orientierung.
Aus den nun bekannten Daten und Grafiken der Röntgenstrahlung ist dann also irgendwann ein Flare ersichtlich. Schön!
Nun ist der Punkt zu klären, gab es einen CME oder nicht?
Ein Indiz für die Geschwindigkeit einen möglichen CME ist die Messung der Frequenzen im Radiobereich, welche ein solarer Ausbruch immer über das fast gesamte Spektrum aller möglichen Frequenzbereiche mit sich bringt.
Eine Liste zu den Ereignissen auf der Sonne gibt es unter: http://sec.noaa.gov/ftpdir/indices/events/events.txt
Zu finden auch über die bereits oben gelinkte Datenliste des SEC Space Weather Data and Products (SEC)
In dieser Liste kann ein erstes Indiz über einen möglichen CME und seiner Geschwindigkeit gefunden werden.
Hier als Beispiel die Liste vom 13.12.2006 mit u.a. den Daten zu einem X3.4-Flare, welcher auch einen CME hervorbrachte, der für Polarlichsichtungen sorgte:
:Product: 20061213events.txt
:Created: 2006 Dec 17 1602 UT
:Date: 2006 12 13
# Prepared by the U.S. Dept. of Commerce, NOAA, Space Environment Center.
# Please send comments and suggestions to SEC.Webmaster@noaa.gov
#
# Missing data: ////
# Updated every 30 minutes.
# Edited Events for 2006 Dec 13
#
#Event Begin Max End Obs Q Type Loc/Frq Particulars Reg#
#-------------------------------------------------------------------------------
...
4600 + 0214 0240 0257 G12 5 XRA 1-8A X3.4 5.1E-01 0930
4600 0217 0249 0255 G12 5 XFL S06W23 4.8E+04 4.7E+05 0930
4600 0220 0234 0618 LEA 3 FLA S06W24 4B ERU 0930
4600 + 0221 0229 0339 LEA G RBR 8800 6700 0930
4600 + 0221 0229 0343 LEA G RBR 15400 10000 0930
4600 + 0222 0302 0346 LEA G RBR 2695 44000 0930
4600 + 0222 0232 0339 LEA G RBR 4995 3700 0930
4600 + 0223 0306 0326 PAL G RBR 606 120000 0930
4600 + 0223 0336 0351 LEA G RBR 1415 130000 0930
4590 0224 //// 0226 LEA C RSP 025-180 V/3
4590 + 0224 0225 0326 PAL G RBR 245 100000
4590 0224 0306 0326 PAL G RBR 410 20000
4590 0224 //// 0233 CUL C RSP 18-1800 III/3
4590 0225 //// 0409 CUL C RSP 150-1300 IV/1
4590 0226 //// 0244 LEA C RSP 025-180 II/2 1534
4600 0227 //// 0235 CUL C RSP 30-300 II/3 0930
4600 0233 //// 0241 CUL C RSP 18-90 III/3 0930
4600 0247 //// 0000 LEA U RSP 025-180 IV/2 0930
...
Die zu diesem Zeitpunkt wichtigste Zeile ist rot markiert:
- Radio-Sweep des Typs II mit einer Geschwindigkeit von 1534 km/s.
(Zu erkennen an dem Kürzel RSP für Radio-Sweep)
Dieser Wert liegt nach einem Flare oft als Erster vor, und gibt den ersten eindeutigen Hinweis auf einen CME, und wie schnell er in etwa ist. Leider liegt dieser Wert aber oft auch nicht vor, und er ist zu allem Übel auch mit sehr viel Unsicherheit behaftet.
Der Liste sind noch viele weitere Details zu entnehmen, die aber erst mal nicht ganz so wichtig sind.
Vielleicht noch die 2. Zeile, in der unter anderem die Position des Flares angegeben wird (06°S,23°W)
und die 3. Zeile zur Klassifikation des Flares im optischen Bereich (4B)
In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf die gegenüber dem irdische Bezugssystem umgekehrte Bezeichnung von Ost und West auf der Sonnenscheibe hinweisen! (Osten=links, Westen=rechts)
Weitere Details zu dieser Liste bitte dem Events-Readme entnehmen.
Liegt hier kein Wert vor oder zur Verifikation des Wertes, kommen als entscheidende und genauere Hilfen die Bilder des LASCO-Coronagraphen (Large Angle and Spectrometric Coronagraph Experiment) auf dem SOHO-Satellit ins Spiel.
Die Bilder von LASCO, hier im Besonderen die des LASCO-C3, zeigen sehr gut diese Massenauswürfe. Hier ein Beispiel:
Das gleiche Bild in groß (1,7 MB)
Quelle: SOHO-Homepage
Das hier gezeigte Bild zeigt einen CME, der NICHT erdgerichtet ist, da er am Sonnenrand entsteht.
Einen erdgerichten Halo kann man an einer möglichst gleichmäßigen Ausbreitung eines Halo rund um die Sonne erkennen:
Quelle: http://stereo.gsfc.nasa.gov/classroom/definitions.shtml#CME
Der direkte Link zu den Realtime-Bildern wenn verfügbar: SOHO Realtime Daten und Bilder Auf dieser Seite gibt es auch Filmsequenzen welche CME sehr schön sichtbar machen.
Über die zunehmende Ausdehnung eines solchen CME kann man die Ausbreitung der Materiewolke von Bild zu Bild ausmessen, und daraus über den Zeitabstand eine Ausbreitungsgeschwindigkeit in km/s errechnen.
Zukünftig wird die Stereo-Mission bezüglich der CME-Geschwindigkeit der entscheidende Datenlieferant sein, da mit diesen Bildern die direkte Ausbreitung des CME in Rtg. Erde vermessen werden kann.
Fortgeschrittene Amateure machen dies zum Teil selbst, es gibt aber auch nach Auswertung der Bilder durch das Lasco-Team selbst diese Berechnungen. Leider ist diese nicht im Web direkt verfügbar. Es existiert nur eine Mailing-Liste, welche aber keine neuen Mitglieder mehr aufnimmt.
Wie man solche Auswertungen der Bilder macht, möchte ich hier nicht beschreiben, aber mit ein bissel Überlegung und Umgang mit Bildbearbeitung, Pixel auszählen und rechnen ist es kein Hexenwerk. Aber es gibt diese Infos ja von offizieller Seite meist rechtzeitig. Diese Informationen werden in der Regel auch im Polarlicht-Forum des "Arbeitskreises Meteore e.V. (AKM)" verbreitet. Hier gibt es auch eine Polarlicht-Infoseite mit generellen Informationen zum Polarlicht auf Deutsch, und auch eine Seite mit Erläuterungen zu verschiedenen Daten-Grafiken. ->Polarlicht-Vorhersage
Weiterhin gibt es hierzu entsprechende Seiten, die Warnungen und Vorhersagen machen, wenn ein entsprechender CME erkannt wurde. Ich möchte hier folgende hervorheben:
Solar Terrestrial Dispatch (STD)
CME-Ankunfts Vorhersage des STD
sowie die auf der Hauptseite des STD angegebenen verschiedenen Warnungen (Warnings) und Vorwarnungen (Watches).
Weiter noch die Seite des belgischen "Solar Influences Data Analysis Center" - SIDC und die Seiten der australischen Spaceweather Agency.
Liegen dann die Auswertungen der Lasco-Bilder vor, und es wird dort z.B. Wert von 1580 km/s angegeben, stellt dies einen Wert dar, mit dem man Abschätzungen für das Eintreffen des CME auf der Erde machen kann.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass als eine ganz grobe Näherung ca. 70% dieser initialen Geschwindigkeit als durchschnittliche Geschwindigkeit des CME angenommen werden kann. Mit diesem Wert kann errechnet werden, wie lange der CME brauchen wird, bis er die Distanz von der Sonne bis zur Erde (=1 astronomische Einheit = 149.597.870,66 km), also rund 149,6 Mio. km hinter sich gelassen hat:
70% von 1580 km/s ~ 1106 km/s geschätzte durchschnittliche Geschwindigkeit.
149.597.870,66 km / 1106 km/s = 135260 sec. Reisedauer in Sekunden.
135260 sec / 3600 sec/h = 37,57 h
Mit dieser Faustformel ergäbe sich für den vorgenannten Fall eine Reisedauer von ungefähr 37,6h. (~ 37h 35min.)
Bitte diese Angabe wirklich nur als ganz grobe Näherung für den Hausgebrauch verstehen!
Sie ist zu dem sehr davon abhängig, wie exakt die Messungen aus den Lasco-Bildern, bzw. des Radio-Sweeps sind. Einige 10km/s mehr oder weniger machen bei diesen Größenordnungen der Entfernung schon etliche Stunden aus. Dies zeigt, wie schwer es ist, genaue Angaben zu einem Eintreffzeitpunkt abzugeben.
Selbst die Profis geben in der Regel eher ein Zeitfenster an (Impact Window) mit einer zusätzlichen Angabe zum geschätzten Zeitpunkt innerhalb dieses Zeitfensters. Eine sehr wichtige Zusatzbemerkung wird bei solchen Vorhersagen aber nie fehlen:
"Give or take several hours" = Einige Stunden früher oder später sind einzukalkulieren.
Ein weiterer sehr wichtiger Aspekt ist die Position auf der Sonne, aus welcher ein CME startet. Damit ein CME möglichst erdgerichtet ist, sollte er nicht weiter als 30°, vielleicht auch noch bis 45° außerhalb der Sonnenmitte zünden. Anderenfalls trifft die Materiewolke die Erde nur streifend, und kann seine Wirkung auf das irdische Magnetfeld nicht voll entfalten. Dies hat natürlich auch wieder Ausnahmen. Es gab auch schon CME, welche aus recht ungünstiger Position trotzdem sehr stark hier wirkten. Es sind dann aber eher die glücklichen Ausnahmen.
Es kommt auch weiter erschwerend hinzu, das die genaue Massenverteilung innerhalb eines CME nicht homogen ist. Derzeit gibt es noch keine Verfahren die es erlauben, die Masseverteilung innerhalb der CME zu bestimmen.
Ein Lichtblick könnte in dieser Hinsicht die im Herbst 2006 gestartete Stereo-Mission werden, die mittlerweile im operativen Betrieb ist. Diese Mission soll CME von zwei gleichartigen Satelliten aus unterschiedlichen Positionen im Raum fotografisch erfassen, und so die wirkliche Struktur des CME sichtbar machen. Dies soll dann auch in 3D-Visualisierung möglich sein. Bisher gibt es aber noch keine derartigen Grafiken und Bilder seitens Stereo. Daher kann ich hier auch vorerst keine Infos bezüglich der sinnvollen Verwendung der Stereo-Daten und Bilder geben. Aktuelle Informationen zur Stereo-Mission siehe auf der Stereo-Homepage.
So, jetzt sind eigentlich erst mal die wichtigsten Punkte geklärt, die nach dem Beginn der Reise eines CME notwendig sind.
Hat also tatsächlich ein Ausbruch alle zuvor genannten Bedingungen erfüllt, bleibt eigentlich nur das Warten auf die Ankunft des CME im erdnahem Raum, welche sich dann als Schockfront an der Magnetosphäre zeigen sollte. Da ja mittlerweile schon eine Zeit vergangen ist, bis alle Auswertungen die bis hierher möglich sind vorlagen, alle Vorhersagen veröffentlicht und verbreitet wurden (meist dauert dies so um die 6-18h), ist die Zeit des Wartens doch schon etwas verkürzt ;-)
Mehr über den weiteren Verlauf des CME und seiner Ankunft im Teil 3.
Zurück zu Teil 1.
Lutz Schenk
08. Februar 2007
08.02.2007 Teil 2 aus Erstveröffentlichung abgetrennt, und leicht überarbeitet.
06.02.2007 Textüberarbeitung zu Stereo
03.02.2007 Erstveröffentlichung