In Teil 1 und Teil 2 wurden die Ursachen für einen coronalen Massenauswurf (CME) und der Auswertung der Daten und Bilder beschrieben. In diesem 3. Teil soll es nun darum gehen, wie man die Ankunft eines solchen CME und seiner Anzeichen im Vorfeld erkennt.
Die als Datenquellen hierfür notwendigen Instrumente nennt man Protonen-Monitore. Diese sind auf verschiedenen Satelliten installiert, welche zur Messung solarer Wirkungen im Einsatz sind. Zu nennen sind hier in erster Linie:
- Der bereits bekannte SOHO-Satellit
- ACE (Advanced Composition Explorer)ACE Realtime Solar Wind-Seiten
- Die ebenfalls schon angesprochenen GOES-Satelliten GOES-SEM-Datenseite
SOHO und ACE befinden sich ca. 1,5 Mio. km entfernt von der Erde in einem Orbit um den L1-Punkt. Die GOES-Satelliten sind in geostationärer Umlaufbahn in ca. 33.600 km über dem Äquator. Gegenüber ACE und SOHO befinden sich die GOES-Satelliten im erdnahen Raum, und auch noch innerhalb des Einflussbereiches der Magnetosphäre. Für die ersten Auswirkungen eines Flares ist dieser Unterschied nicht so gravierend. Später aber, unmittelbar nach Ankunft des CME, wird dieser Unterschied noch mal wichtig werden.
Alle diese Satelliten tragen also Protonen-Monitore mit sich, welche je nach Bauart des Instrumentes für die Detektierung von Teilchen unterschiedlicher Energiebereiche konzipiert sind.
Auf ACE ist dies der "Electron-Proton-Alpha-Monitor" (EPAM). Dieses Instrument setzt sich aus mehreren Detektoren zusammen, welche Partikel der Energiebereiche von 0,047 MeV bis 1,9 MeV misst. (EPAM-Beschreibung, PDF ) oder weiterführende Links auf der ACE-Instrumentenseite.
ACE hat noch weitere Instrumente an Bord, welche Geschwindigkeit, Dichte, und magnetische Ausrichtung des Sonnenwindes und des "Interplanetaren Magnetfeldes" [Glossarlink fehlt noch] messen. Ähnliche Instrumente befinden sich zum Teil auch auch auf dem SOHO-Satellit, aber diese sind leider nicht in so ansprechender Form und auch nicht in solch zeitnahem Zugriff (fast Echtzeit, 5-20 Minuten Verzögerung) verfügbar. Daher sind die Daten von ACE am besten nutzbar.
Auf den GOES-Satelliten, welche ja auch zahlreiche Instrumente zur Erdbeobachtung mit sich tragen, ist der Protonen-Monitor ein Teil des "Space Environment Monitor" SEM. (GOES-SEM-Beschreibung)
Die von GOES gemessenen Bereiche umfassen die Teilchenenergien >10, >50, und >100 MeV.
An dieser Stelle muss man leider noch mal einen kleinen Ausflug in die Teilchenphysik machen, und auf eine der unangenehmen Nebenwirkungen starker Flares eingehen.
Um die unterschiedlichen Daten der jeweiligen Instrumente in ihrer zeitlichen Abfolge richtig interpretieren zu können bedarf es noch etwas an Erklärung zu den verschiedenen Wirkungen und Folgen eines Flare/CME-Ereignisses.
Ein Flare und seine Folgewirkungen an der Sonnenoberfläche und in der Sonnen-Corona erzeugt zwei Arten von Teilchenströmen:
Einerseits werden durch hochenergetische Prozesse Ionen (Protonen und Elektronen) auf sehr hohe Geschwindigkeiten, je nach Energie bis in relativistische Bereiche (nahe der Lichtgeschwindigkeit) beschleunigt und in alle Richtungen in den Raum abgestrahlt. Diese Wirkung bezeichnet man daher auch als Strahlung.
Die Teilchen des CME dagegen beziehen ihre Energie aus den mechanisch/dynamischen Bewegungen kollabierender Magnetfeldstrukturen in einem Flaregebiet. Diese erzeugen Anfangsgeschwindigkeiten von bis zu "nur" 2500 km/s und sind damit also eher nur ein Bummelzug gegenüber den Geschwindigkeiten aus den hochenergetischen Prozessen.
Zwischen den emittierten Teilchen besteht eigentlich erst mal kein Unterschied, es bleiben nach wie vor Ionen deren Masse sich ja nicht ändert. Durch die unterschiedlichen Prozesse erfahren sie aber gemäß dem Satz "Masse mal Geschwindigkeit = Energie" diese stark unterschiedlichen Energien.
Als grobe Näherung kann man sagen: Je höher die Teilchenenergien, um so größer ist auch die Geschwindigkeit. Dies muss man hier jetzt einfach mal so stehen lassen, da ansonsten ein tieferer Einstieg in die Teilchenphysik notwendig wäre. Dies ist aber hier nicht das Thema, und mir fehlen diesbezüglich auch die tieferen Kenntnisse.
Diese Vereinfachung auf den Nenner "höheres Energieniveau = höhere Geschwindigkeit" erklärt zumindest im Groben, das mit dem Flare-Ereignis als erstes die Teilchen >10 MeV an den Detektoren der GOES-SEM erkennbar sind.
Hierzu zwei Grafiken mit den charakteristischen Signaturen in den GOES-SEM-Daten:
Diese Daten repräsentieren "Protonen-Events" welche bei starken Flares häufig auftreten. Diese Strahlungs-Stürme können z.B. auch Astronauten und empfindlichen Geräten in Satelliten gefährlich werden. Daher definiert man als "Protonen-Event" ein Überschreiten des Protonenflusses von 10 Partikeln pro cm³ und Sekunde der Teilchen mit Energien >10 MeV. Flares die solche Protonenflüsse verursachen nennt man daher auch "Protonen-Flares".
(Liste der wichtigste Protonen-Events seit 1976)
Weitere Infos zu Protonen-Flares von Ulrich Rieth und die Infoseite des SEC zur Klassifizierung von Strahlungs-Stürmen. (Solar radiation storms vom SEC)
Diese Protonen-Flares sind zwar einerseits ein Mitgarant für möglichst starke Wirkungen im Erdmagnetfeld, da sie meist auch von entsprechenden CME begleitet werden, aber leider machen sie auch die empfindlicheren Detektoren für niedrigere Energien, wie z.B. das EPAM und SWEPAM auf ACE fast blind. (Zu SWEPAM später mehr.)
Bis zum Eintreffen des CME sind aber gerade die durch den EPAM gemessenen Energie-Bereiche am interessantesten. Diese nicht ganz so hochbeschleunigten Teilchen zeigen durch eine ganz charakteristische Signatur das Herannahen des CME's.
Die durch EPAM gemessenen Teilchen sind zwar alle noch wesentlich schneller wie der CME selbst, aber die Flussdichte der Teilchen wächst in der Regel kontinuierlich bis zum Eintreffen des CME an. In folgender Grafik ist beispielhaft der Beginn eines solchen Anstiegs in den EPAM-Daten dargestellt:
(Credits : Space-Environment-Center (SEC) Ace-Datenseite)
Hier ist auch schön zu erkennen, wie zeitlich gestaffelt je nach Energieband, die Teilchendichten zu erst bei den höheren Energien (1060-1900 keV, grün)ansteigen, und zuletzt bei den Niedrigeren (47-65 keV, rot). Diese Grafik entstand nach einem Flare ohne Protonen-Event.
Eine weitere Grafik über einen gesamten Verlauf des Anstiegs vom Flare bis zur CME-Ankunft.
(Der Anfangsbereich ist durch ein moderates Protonen-Event auch leicht gestört):
Als Vergleich hierzu eine Grafik, in der die hochernergetischen Teilchen (>10 MeV) das EPAM völlig stören. Ob diese Störungen direkte Einwirkungen der Hochenergieteilchen sind, oder von andere Wechselwirkungen herrühren ist mir nicht bekannt. Den genauen Vorgang zu kennen ist aber hier auch nicht ganz so wichtig. Jedenfalls ist die Ursache der Störung klar. Folge eines X2,2-Flares vom 24.09.2001:
(Bitte beachten: Die Farbgebung der Energiebereiche war damals noch anders!)
Hier der zugehörige Plot der GOES-Messungen:
Dies zeigt sehr schön, das die sonst recht typische rampenartige Signatur im EPAM gar nicht erkennbar wird, und alle Kurven quasi dem Verlauf der hochenergetischen Teilchen folgen.
Erst ca. 1h vor Ankunft des CME wird auf diesem hohen Niveau noch eine kleine Steigerung über das Niveau von 105 erkennbar (Auf den Wert von 105 werde ich gleich noch mal zurückkommen):
Erfahrungsgemäß beginnt der finale Anstieg ca. 2h vor einer CME-Ankunft.
(Bitte diesen Wert nur als grobes Maß betrachten!)
Ebenso zeigt die Erfahrung, dass dieser finale Anstieg eher nicht unterhalb eines Niveaus von 104 zu erwarten ist. Als Faustregel kann man sagen, dass es ab Erreichen von 104 interessant wird, und man hier die Daten im Auge behalten sollte, um nicht den dann doch recht schnell möglichen Anstieg zu verpassen. Es KANN auch schon direkt mit dem Erreichen von 104 beginnen!
Allerdings gibt es auch ein schönes Beispiel wie die EPAM Daten zu vorschnellen Schlüssen verleiten können.
Hierzu ein CME vom 26.11.2002:
Bereits gegen 16UT erreichte der 47-65 keV-Bereich Werte über 104 und auch die anderen Kurven gingen diesen Trend mit. Man hätte also erwarten können, dass der CME innerhalb 1-2h einläuft. Nichts war's! Schön zu sehen, wie alles noch mal abflaut. Dann der nächste Anstieg gegen 20 UT der wieder sehr eindeutig aussieht und auch schon fast die 105 erreicht. Selbst da gab es noch mal einen Einbruch. Um 21:10 UT mit Überschreiten der 105 lief der CME dann endlich ein, und führte zu Polarlichtsichtungen auch in Deutschland.
Dies zeigt sehr schön, mit wie viel Unsicherheiten die Interpretation der Daten behaftet sein kann.
Nun zum zeitlich sehr schmal aufgelösten Bereich der CME-Ankunft:
Als Beispiel der CME vom 14.12.2006.
Mit dem Eintreffen der Schockfront am L1-Punkt gipfelten die Protonen von 47-65 keV bei ca. 5,4 x 105. Mir bekannte höhere Levels gingen deutlich über 106. Aus diesen gezeigten Beispielen ergibt sich als grober Anhaltswert das Überschreiten der Schwelle von 105, welche man als recht sicheres Zeichen einer kurz bevorstehen CME-Ankunft ansehen kann.
Wenn also die EPAM-Grafik ein solches Aussehen mit nahezu senkrecht steigenden Graphen bekommt wird es Zeit, die nun relevanten Instrumente zu beobachten. Dies ist zum einen das SWEPAM von ACE, und der SOHO-Proton-Monitor. (Soho ist zum Teil mit ähnlichen Instrumenten wie ACE ausgestattet, aber wegen der schlechteren Nahe-Echtzeit-Verfügbarkeit verwende ich meist die ACE-Daten.) Der SOHO-PM aktualisiert ca. alle 30 Minuten. Es könnte bei günstigem Timing natürlich gerade auch kurz vor dem Update die Front einlaufen, so dass ein Blick hier trotzdem lohnen kann.
Das Eintreffen des CME zeigt sich im SOHO Proton-Monitor:
Eine ACE-SWEPAM Grafik zum 14.12.06 habe ich leider nicht. Daher hier eine CME-Ankunft am 29.05.2003 wie sie sich im kombinierten MAG- und SWEPAM-Plot zeigt:
Der Sprung ist in der Regel am deutlichsten in der Geschwindigkeit erkennbar und kann Änderungen um mehrere 100 km/s betragen. Technisch bedingt haben die Geschwindigkeitsdetektoren von ACE und SOHO eine Grenze von ca. 1000 km/s. Hier können auch deutliche Sprünge bei der Teilchendichte und Gesamtmagnetisierung Bt beobachtet werden. Mehr dazu im 4. Teil.
Das EPAM-Instrument zeigt nach dem Scheitelpunkt mit Eintreffen des CME ein konsequentes und typisches Absinken der Werte. (Siehe Grafik oben) Es kann da auch gelegentlich einige "Nachwehen" geben, aber prinzipiell ist dieses Muster so wie gezeigt recht typisch.
Abschließend bleibt zu sagen, dass die in den EPAM-Daten erkennbaren Signaturen eines nahenden CME von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein können. Form und Steilheit der "Rampen" sind gelegentlich auch verwirrend, oder wie beschrieben durch Protonen-Events maskiert, oder können auch durch multiple Ereignisse sehr undeutlich sein, so dass man nur schwer zu sinnvollen Aussagen kommen kann. Aber egal wie, es ist bis zum Eintreffen des CME eine der für uns nützlichsten Datenquellen.
Der CME ist nun am L1-Punkt angekommen, und EPAM hat soweit erst mal ausgedient.
Ab jetzt werden die Daten der MAG- und SWEPAM-Instrumente auf ACE am wichtigsten. Die Interpretation deren Grafiken und Werte folgt im nächsten Teil, da auch hier viele Aspekte zu beachten und darzustellen sind.
Der 3. Teil hat mich doch sehr viel mehr Zeit gekostet wie gedacht. Bevor ich an Teil 4 herangehe, möchte ich erst noch mal die vorhandenen 3 Teile bezüglich Plausibilität überdenken, und noch Änderungen machen, so dass der 4. Teil etwas auf sich warten lassen wird. Aber bis hierher gibt es ja schon viel zu lesen und nachzuvollziehen. Um die Zeit bis zum 4. Teil zu verkürzen kann man vielleicht auch das Eine oder Andere noch einmal lesen. ;-)
13.02.2007 Korrekturen bei Rechtschreibung und Satzbau
12.02.2007 Umfassende Überarbeitung.
11.02.2007 Erstveröffentlichung mit Staus Entwurf